•   Jagd & Jäger

Weizen, Wind und Watutinki


Text und Fotos: Julia Numßen

Werner sitzt nicht vor dem Fernseher, sondern auf der offenen Leiter. Eine halbe Stunde vergeht, eine Stunde – alles ruhig, noch nicht einmal Spaziergänger, Jogger oder Mountainbiker lassen sich blicken. Alle schauen Fußball. Plötzlich zuckt Werner zusammen und greift zum Fernglas – dahinten, am Übergang zwischen Mais- und Weizenfeld, ein dunkler Schatten. Sau! Sie scheint allein unterwegs zu sein, bummelt durch den Weizen, zieht allerdings nicht in Richtung Sitz. Der Wind kommt leicht von vorn, der müsste doch passen für eine Pirsch! Also: Runter und ab durch die Mitte Richtung Weizenfeld.

Diese Gelegenheit muss Werner nutzen, Schwarzwild zeigt sich in seiner Revierecke nur sporadisch und seine Tiefkühltruhe ist leer. Und die Grillsaison geht doch jetzt erst richtig los! Am Weizenfeld angekommen, heißt die Devise: Schuhe ausziehen, Neopren-Füßlinge über die Socken stülpen, Schießstock unter den Arm klemmen und die Mauser M18 schultern. Langsam nähert er sich der Sau, die in den kurzen Halmen gut zu erkennen ist. Schritt für Schritt pirscht er langsam auf sie zu. Die Neopren-Füßlinge schmiegen sich an den ausgetrockneten, stumpfen Boden perfekt an und schlucken die Geräusche. Noch 90 Meter, noch 80 Meter – der Zweimetermann klappt zusammen wie ein Taschenmesser, krabbelt auf allen Vieren weiter. Noch 20 oder 30 Meter näher ran, das müsste dann locker reichen. Werner taucht aus dem Ährenfeld auf wie ein U-Boot. Aber der Überläufer ist weg.

»Werner taucht aus dem Ährenfeld nach oben auf wie ein U-Boot. Aber der Überläufer ist weg. Spurlos verschwunden.«

Der Jäger greift zu der kleinen Sprühflasche, die mit Reismehl gefüllt ist. Der Wind passt doch! Langsam streckt er seinen Hals noch etwas höher. Da ist sie ja! War wohl in einer Senke verschwunden. Keine 60 Meter ist sie mehr von ihm entfernt. Werner stopft das Fläschchen in die Jackentasche, baut seinen Schießstock auf und geht in Anschlag. Er hat die Überläuferbache gut im Absehen. Sie präsentiert sich in der Fahrspur perfekt – keine Striche. Die passt. Hundertprozentig. Sein Finger geht zum Abzug, aber stopp! Der Überläufer dreht sich, zieht spitz auf ihn zu, kommt ihm entgegen. Mist!

Jetzt biegt der Überläufer wieder ab und zieht aus der Treckerspur in die Ähren. „Ich muss ihn eine Spur weiter abpassen. Wenn ich Glück habe, kommt er dort breit!“ – so Werners Plan. Wie eine riesige Schlange kriecht der Franke durch die Ähren, bleibt ab und zu mit dem Schießstock an den Halmen hängen, flucht leise. Sein Rücken ist klatschnass. Ruhig bleiben! Werner schraubt sich wieder vorsichtig etwas nach oben – richtig getippt. Dort ist die Wutz, kommt gleich in die nächste Traktorspur. Schnell den Schießstock in Position bringen! Da quert die Überläuferbache auch schon die Spur. Werner schießt.

Eine Stunde später hängt die 50-Kilo-Sau aufgebrochen in der Kühlung. Werner betritt das Wohnzimmer, in dem seine Frau fernsieht und hört, wie der Nachrichtensprecher sagt: „… wird die deutsche Nationalmannschaft nach der 0:2 Niederlage gegen Südkorea in ihr WM-Quartier nach Watutinki zurückkehren und dann die Heimreise antreten.“ „Schade“, sagt Werner zu seiner Frau. „Von mir aus hätten die Spieler gern ins Finale kommen können – dann ist mehr Ruhe im Revier.“

Werner Steckmann hat die einzelne Sau fest im Blick
Schuhe aus und Neopren-Füßlinge übergestülpt, dann kann die Pirsch durch das Weizenfeld losgehen!
In tiefster Gangart bahnt sich Werner den Weg durch das Halmenmeer
Wo steckt der Überläufer? Eben war er doch noch da!
Jetzt zieht der Schwarzkittel durch die Treckerspur. Werner ist bereit, hat die M18 im Kaliber .308 Win. im Anschlag.

Ausrüstung für die Sauen-Pirsch im Feld

Weniger ist mehr! Mit von der Partie auf der Pirsch sind: die M18 mit dem 2,5-10×50 V6 von ZEISS, der Schießstock, die Bergehilfe und, ganz wichtig, die Neopren-Füßlinge. Weiterer Trumpf von Werner Steckmann: Das Fläschchen mit dem Reismehl. So kann der Pirschjäger permanent den Wind prüfen und seine Strategie noch besser planen beziehungsweise sofort reagieren. Und wenn‘s mal wieder länger dauert – die Stirnlampe ist vor allem für den Nachhauseweg entscheidend.

Werners Plan ist aufgegangen und er zieht den Überläufer Richtung Wiese zum Auto. Weil mitten im Weizenschlag kein bruchgerechter Baum stand, hat der Jäger sich mit Weizenähren beholfen.

Werners Wildschwein
Rosmarin-Spieße

Zutaten für 2 Portionen

 

  • 500 g Frischlings- oder Überläuferrücken, gewürfelt
  • 1 Paprika
  • 1 Zucchini
  • 1 Zwiebel
  • Knoblauch, granuliert
  • Olivenöl
  • Salz & Pfeffer
  • Rosmarinzweige
  • Schaschlikspieße

 

Zubereitung

 

  • Frischlingsrücken auslösen, parieren und in spießtaugliche Stücke schneiden.
  • Gemüse putzen, Paprika in zirka 4×4 cm große Stücke zerkleinern, Zucchini in Scheiben schneiden und die Zwiebel vierteln.
  • Mit einer Spicknadel Rosmarinzweige durch Zwiebel, Paprika, Zucchini und Fleisch ziehen. Je nach Gusto oder Größe der Spieße zwei oder drei Mal pro Spieß wiederholen. Dann zum stabilisieren eine Schaschlikspieß parallel durch das Grillgut stecken.
  • Spieße in eine Schale legen, mit Olivenöl beträufeln, salzen, pfeffern und gemahlenes Chilipulver dazugeben. Frische Knoblauchzehen dazugeben und drei bis vier Stunden marinieren lassen.
  • Grill anheizen und die Kohle zur Weißglut bringen. Dann die Spieße auflegen und ab und zu wenden. Knusprig braun servieren und dazu einen kühlen Vinho Verde trinken.
Werners Wildschwein Rosmarin-Spieße.