•   Revier & Praxis

Ein KEILER für alle Fälle


Text und Fotos: Eike Mross (Geartester)

Eisig pfeift der Wind durch die letzten verbliebenen Blätter an den jungen Eichen. Nicht gerade gemütlich hier an der Feldkante. Doch es ist etwas Ruhe eingekehrt und die braucht es auf der Jagd. Zudem war ein stärkerer Überläufer auf der Wildkamera. Die Fährten legen nahe, dass er seinen Haupt-Einstand in einer kleinen Insel aus Schwarzdorn mitten im Feld hat. Von dort aus ist es nicht weit bis zur Wiese, die von Tag zu Tag mehr schwarze Flecken bekommen hat. Offenbar seine erste Station, um eiweißreiche Nahrung aufzunehmen. Erst danach zieht es ihn an den Malbaum, wo die Wildkamera ihn fotografiert hat. Ein strammer Überläufer ist genau das Richtige, um die Wurstreserven vor dem Ende der Hauptjagdzeit wieder aufzufüllen.

Etliches Rehwild steht in der späten Dämmerung schon draußen. Dank der Wärmebildkamera entdeckt man es sofort und kann einen Bogen schlagen, um ungesehen zum Sitz zu kommen. Verräterisch abspringende Rehe wären das Ende des Ansitzes. Der niedrige Drückjagdbock steht mit dem Rücken an einer dicken Eiche, die etwas Windschutz bietet. Sowohl die etwa 400 m entfernt liegende Schwarzdorn-Dickung als auch die löchrige Wiese sind gut einsehbar von hier. Zum Glück ist der Landwirt ein guter Bekannter und bleibt gelassen. Allerdings sind die Entschädigungs-Würste schon versprochen. Mit dem KEILER-1 vor dem Auge blitzt hier und da eine winzige Wärmesignatur im Dickicht auf. Bei aller Bemühung ist aber nicht zu erkennen, um was es sich handelt. Es könnten drei dicke Amseln sein oder aber der Überläufer. Die Rehe bieten ein wenig Unterhaltung während der Wartezeit. Es ist interessant zu beobachten, wie die jungen Böcke ihre Kräfte messen wollen, sich aber nicht trauen, sich mit den Baststangen zu berühren.

Der Akku lässt sich einfach und bequem aus dem KEILER-1 entnehmen und wieder einsetzen
„Selbst bei absoluter Dunkelheit lassen sich die Tasten intuitiv bedienen.“Sofort hat man ein klares angenehmes Bild vor Augen.“

Plötzlich blitzt im KEILER-1 eine große runde Wärmequelle auf. Sie bewegt sich geradlinig vor den Büschen entlang eines Feldweges etwa 500 m östlich. Ist es etwa die Sau? Natürlich wäre es auch möglich, dass sie den Tag in einem anderen Einstand verbracht hat und nun zur Wiese wechseln möchte. Dass wäre allerdings für den Wind nicht ideal. Doch dann taucht hinter einer Kurve die Gestalt eines Menschen im Gerät auf. Ein sehr später Spaziergänger, der seinen Hund frei vorlaufen lässt. Das Rehwild hat schon Wind bekommen und reckt den Träger. Zum Glück führt der Feldweg in die andere Richtung, zurück zum Dorf. Und nach 15 Minuten kehrt im Feld wieder Ruhe ein. Langsam lässt auch der Wind nach. Eigentlich richtig schön, mal wieder draußen zu sein und das Revier auf sich wirken zu lassen. Der gelegentliche Scan mit dem KEILER-1 ist Routine geworden. Das Gerät ist so handlich, dass es in jede Jackentasche passt und auch bei der Pirsch nicht stört. Selbst bei absoluter Dunkelheit lassen sich die Tasten intuitiv bedienen. Der Zeigefinger der linken Hand schiebt den obersten Schalter von der Standby-Stellung in der Mitte nach rechts auf On. Sofort hat man ein klares, angenehmes Bild vor Augen. Die Wärmequelle, die nun wenige Meter vor dem Schwarzdorn steht, sticht direkt ins Auge. Vorne am Fokusrad schnell noch die Schärfe überprüft, doch es ist schon klar, dass es sich um Schwarzwild handelt. Der Puls hat sich sofort beschleunigt. Die Linse des Liemke-Gerätes verfolgt jeden Schritt der immer deutlich werdenden Signatur. Die Sau scheint allein zu sein und mittelgroß. Ab 150 m wird dann die Gewissheit größer, dass sie männlich ist. Entspannt wechselt sie hierhin und dorthin. Doch tendenziell bewegt sich der Schwarzkittel in Richtung Wiese. Nach wenigen Minuten beginnt sie auf dem Grünland zu brechen. Erst am Rand, dann etwas weiter mittig. Uns trennen aber noch 180 m. Eindeutig zu weit für einen Schuss bei Dunkelheit. Da der Pirschstock bei jedem Ansitz dabei ist, ist es kein Problem, sich auf Schussentfernung zu nähern. Doch die Wiese wird auf dieser Seite von einem Zaun begrenzt. Um diesen zu überwinden eignet sich eine Überfahrt wenige Meter weiter. Auf dieser Strecke gibt es allerdings keine direkte Sichtlinie zur Sau.

Der Einsatz eines Wärmebildgerätes ist auch ein Plus an Sicherheit beim Sondieren des Geländes. Anderes Wild, das durch Abspringen den Jäger verraten könnte, oder spätabendliche Hundespaziergänger sind leicht auszumachen
Der Überläufer beginnt nach kurzer Zeit auf dem Grünland zu brechen. Jetzt gilt es, den richtigen Moment abzupassen

Auf der Wiese angekommen ist die Bühne leer. Hat sie doch Wind bekommen? Etwas gesehen? Mit dem KEILER-1 wird die Umgebung in Kreisen genau abgeleuchtet. Nichts! Auf dem Weg zurück zum Drückjagdbock ein letzter Blick in Richtung der Kanzel, vor der sich der Malbaum befindet. Da ist doch was! Hinter einer leichten Bodenwelle blitzt etwas hervor. Ob die Sau dorthin gewechselt ist? Egal, nun sind die Gummistiefel eh voll Ton, da machen die paar hundert Meter mehr über das Feld auch nichts mehr aus. Also in einem weiten Bogen zur Kanzel gepirscht, immer wieder durch das Wärmebildgerät prüfend, ob das Stück noch an Ort und Stelle ist. Tatsächlich steht die Sau am Buchenholzteer und schubbert sich. Erst die eine Seite, dann die andere. Es wirkt immer so, als hätten die Tiere einen riesigen Spaß dabei. In entspannter Gangart wechselt die Sau weiter. Flotten Schrittes geht es hinterher. Kurz verschwindet sie in einem Brombeerverhau, dann taucht sie wieder auf. Nun steht sie wieder auf einer moorigen Wiese und ist am Brechen. Ah, deswegen also der plötzliche Ortwechsel: Hier scheint es mehr Leckereien zu geben.

Nun sind es nur noch 80 Meter bis zur Sau. Im Wärmebildgerät ist der Pinsel zweifelsfrei zu erkennen. Die Büchse leise auf den Pirschstock zu legen und in den Anschlag zu gehen ist Routine. Sobald sie breit steht, peitscht die .30-06 über die Felder und bannt den Schwarzkittel an den Platz. Die Spannung der Pirsch macht der Freude über die geglückte Erlegung Platz. Das Wärmebild zeigt, dass die Sau noch kurz schlegelt. Dann bewegt sich nichts mehr. Am Stück bestätigen sich die Merkmale, die schon im KEILER-1 zu sehen waren. Ein Überläuferkeiler von etwa 60 kg liegt auf dem Grünland. Sein Gebräch noch unter der Grasnarbe. Zum Glück ist der nächste Feldweg nicht weit entfernt. Bis dorthin die Sau zu ziehen ist kein Problem. Dann geht’s zurück zum Wagen. Ein letzter Blick in die Runde: Die Rehe stehen noch unbeeindruckt auf dem Acker. Der Schalldämpferschuss hat sie nicht gestört.

Ein gelungener Ansitz geht zu Ende. Versorgt wird die Sau an der Wildkammer. Noch von dort wird der Bauer per Textnachricht von der Erlegung in Kenntnis gesetzt. Da kann er am Morgen mit den Gedanken an die versprochene Wurst in den Tag starten.

Das Gebräch noch unter der Grasnarbe, liegt der Überläufer im Schuss
Eike Mross ist Jahrgang 1989 und seit 2008 passionierter Jäger. Er hat in Göttingen Forstwirtschaft studiert. Der ausgebildete Redakteur stammt aus dem Grenzgebiet von Niedersachsen zu Sachsen-Anhalt an der Elbe, wo er auch jagdlich zuhause ist. Seine große Leidenschaft gilt der Jagd auf Sauen und Rehwild. Seit 2019 arbeitet er für Geartester und testet Jagdausrüstung