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Nordic Hunting


Text und Fotos: Gunther Stoschek

Wir mussten nicht lange überlegen überlegen, als uns David Wright, Produzent des
weit über England hinaus bekannten „Fieldsports Channel“, fragte, ob wir ihn bei seiner Filmreportage über die Jagd in Schwedisch-Lappland mit der Fotokamera begleiten wollten. Für sein Projekt, das uns Jägern die dort gebräuchlichen Jagdarten und die nordische Jagdkultur näher bringen sollte, konnte er Niall Rowantree gewinnen, seinen langjährigen Freund und ausgewiesenen Wildlife-Experten. Niall ist seit Jahrzehnten in Schottland als Berufsjäger tätig und zudem weltweit jagderfahren, und damit die ideale Besetzung für die Rolle des Gastjägers, der mit uns zusammen auf Elch, Auer- und Birkwild jagen würde.

Bereits bei der Fahrt vom Flughafen Luleå zur Lodge queren immer wieder Rentiere die Straße.
Auch der Anblick von Auerwild am Straßenrand ist keine Seltenheit und lässt uns schon ahnen, wie hoch der Bestand hier in Lappland ist.

Kontaktperson und Vermittler für diese Jagd war der Tourismusmanager, der für diese nordische Region zuständig ist. Er war von Anfang an Feuer und Flamme für Davids Filmproduktion und schlug deshalb vor, auch das Fliegenfischen auf Lachs in die Reportage mit einzubeziehen. Das lag nahe, denn in unmittelbarer Nähe zu den Jagdgebieten fließt der Fluss Kalixälven. Mit seinem guten Lachsbestand zieht er seit Jahrzehnten begeisterte Fliegenfischer aus aller Welt an. Allerdings wird der Fluss ausgesprochen schonend befischt, was zu teils jahrelangen Wartezeiten für die begehrten Flussabschnitte führen kann. Da Niall trotzdem die Gelegenheit zum Fliegenfischen auf Lachs bekommen konnte, wollte David das großzüge Angebot nicht ausschlagen. Auch zeitlich passte es gut, denn das Ende der Lachssaison geht in Schwedisch-Lappland mit dem Beginn der Elch-Jagd und der sogenannten „Vogeljagd“ einher. Dass dieser zusätzliche Programmpunkt für den Verlauf unserer Jagdreise allerdings nicht optimal sein würde, sollte sich erst vor Ort herausstellen.

Der Kalixälven ist einer der bekanntesten Lachsflüsse Schwedens. Direkt an seinem Ufer liegt die gemütliche Jockfall Fishing Lodge mit ihren fünf großzügig ausgestatteten Chalets.

Die kleine Stadt Luleå liegt am nördlichsten Ende der Ostsee und knapp unter dem Polarkreis. Bereits beim Landeanflug staunten wir, wie grün es dort Ende August noch war. Wo andernorts auf diesem Breitengrad die Wälder längst in Gelb- oder Rottönen leuchten, konnten wir hier noch keine Spur des Herbstes erkennen. Später erklärte man uns, dass die milderen Temperaturen der Ostsee und die daraus resultierenden Winde der Grund für den verzögerten Herbstbeginn sind. Wir jedenfalls begannen zu ahnen, dass die Jagd nicht einfach werden würde.

Am Ziel unserer Reise, einer idyllisch am Kalixälven gelegenen Lodge am Rande des Dorfes Jockfall, bestätigte unser Guide Robin auch sogleich unsere Annahme. Dennoch zweifelte er nicht daran, dass die Jagd auf Elch und Auerhahn für Niall erfolgreich sein würde. Nur auf den Lachs, da war er ganz ehrlich, räumte uns Robin an den letzten beiden Tagen der Saison kaum Chancen ein. Für uns kein Problem, sollten wir doch nun die Jagd auf Auerhahn von Beginn an erleben.

„Die unzähligen Preisel- und Blaubeeren sind bevorzugte Nahrungsquelle und Hauptgrund für den hohen Bestand an Auer- und Birkwild.“

Uns war klar, dass diese Art der Jagd absolut nichts mit der zu tun hat, die man aus den Alpen kennt. Ist es dort nur sehr wenigen Jägern vergönnt, einmal im Leben einen Auerhahn zu erlegen, sieht das in Lappland völlig anders aus.

Dank der Unmenge an Preisel- und Blaubeersträuchern gibt es dort im Spätsommer und Herbst für Birk- und Auerwild Äsung im Überfluss. Kein Wunder also, dass man im Wald sehr häufig auf Auerhähne trifft. Bei Annäherung von Menschen streichen die in der Regel aber sehr weit ab, weshalb bei der Jagd Hunde der Rasse Spitz eingesetzt werden, die mit GPS-Sendern ausgestattet werden. Diese auf Wildvögel spezialisierten Hunde verbellen die Vögel, die nach dem Abstreichen meist auf Bäumen verharren.

Damit können sich die Jäger anpirschen und in Schussposition bringen. Ungewöhnlich für uns war, dass nicht mit Schrot, sondern aufgrund der meist größeren Distanz von 50 bis 100 Metern mit der Kugel gen Himmel geschossen wird. Bezüglich Hinterlandgefährdung macht man sich in dieser extrem dünn besiedelten Region also keine großen Gedanken.

Nachdem der Hund geschnallt ist, wird seine Wegstrecke und sein Verhalten mittels GPS Tracker überwacht. Oft bedeutet dies langes Warten, bevor es Sinn macht ihm zu folgen.
Zur sogenannten „Vogeljagd“ werden in aller Regel Hunde der Rasse Spitz eingesetzt. Es ist immer wieder erstaunlich zu erleben, wie sie genau den Baum aufspüren, auf dem der Auerhahn ausharrt.

Da Ende August die Vegetation noch sehr üppig war, gestaltete sich für Niall die Jagd auf Auerhahn schwieriger als erwartet. Wenn der Hund die auf Bäume geflüchteten Hähne verbellte, war es im dichten Grün schier unmöglich, den Hahn zu sehen, geschweige denn einen Schuss anzubringen. Dass Niall schließlich dennoch gleich doppelten Erfolg hatte, war dann auch eher glückliche Fügung.

Einen Tag später, am letzten Tag der Lachssaison, fuhren wir mit Guide Robin an eine geheime Stelle des Flusses, an der er sich noch eine letzte Chance ausrechnete. Da Robins Stolz es kaum zugelassen hätte, Kameramann David keinen Lachs präsentieren zu können, gab er uns zu verstehen, dass zuerst er – der Profi und Routinier – es mit der Lachsfliegenrute versuchen wollte. Und tatsächlich hatte er nach einer Stunde den ersten Biss. Unglücklicherweise aber war David in diesem Moment gerade mit einer anderen Aufnahme beschäftigt. Als Robin versuchte, den Fisch am Haken im Wasser zu halten, um David spektakuläre Bilder zu ermöglichen, löste sich der Lachs jedoch wieder und verschwand in der Tiefe des Flusses. Auf eine zweite Chance hofften wir dann leider vergebens.

Für Niall wie auch für uns sehr ungewohnt, dass hier mit der Kugel Richtung Himmel geschossen wird. Nur in sehr menschenleeren Regionen kann man einen solchen Schuss riskieren.
Nach Tagen anstrengender Pirsch ein doppelter Erfolg. Die beiden jungen Hähne werden bald für Abwechslung auf unserem Speiseplan sorgen.

Als es am 1. September auf Elch ging, war Niall bereits klar, dass diese Jagd im dichten Grün eine Herausforderung werden würde. Nachdem Robin seinen auf Elche spezialisierten Hund geschnallt und auf die Suche geschickt hatte, dauerte es Stunden, bis auf dem Display des GPS-Empfängers zu erkennen war, dass der Hund in etwa sieben Kilometer Entfernung Elchwild gestellt hatte. Doch während sich Robin noch mit Niall beriet, ob sie besser zu Fuß folgen oder das Gebiet mit dem Auto umfahren sollten, entfernte sich die Jagd schon wieder. Bald waren Hund und Elch gut zwölf Kilometer entfernt, so dass ein Folgen nur noch mit dem Fahrzeug und auf weiten Umwegen möglich war. Uns allen wurde nun bewusst, dass sich die Elche den Hunden wohl kaum für längere Zeit stellen würden.

Die zur Elchjagd eingesetzten Hunde gehören ebenfalls zur Rasse Spitz. Sie sind meistens etwas größer und noch ausdauernder als die zur Vogeljagd verwendeten Hunde.
Wie viele Jäger in Schweden vertraut auch Niall auf die Blaser R8. Zu Hause in Schottland ist sie sein liebstes Arbeitsgerät.
Der Landbesitzer Björn gibt Hundeführer Robin in der Jagdhütte Tipps für die beste Jagdstrategie.
Ein altes Schwarz-Weiß-Foto zeugt von vergangenen Jagdtagen.

Da am nächsten Tag die Jagd ähnlich erfolglos verlief, fühlte sich unser Tourismusmanager so in seiner Ehre gekränkt, dass er eine ungewöhnliche Entscheidung traf. Er rief einen der berühmtesten Elchjäger Schwedens in Stockholm an und bat ihn, uns mit seinem sehr erfahrenen Hund zur Hilfe zu kommen. Wir konnten es kaum glauben, aber dieser passionierte Jäger setzte sich tatsächlich noch am selben Abend mit einem Begleiter ins Auto und machte sich auf den 1800 km langen Weg Richtung Norden. Für Niall, David und auch für uns endete der nächste, letzte Jagdtag schließlich wenig spektakulär. Der neue Hund hatte Elchwild in über zwanzig Kilometern Entfernung gestellt und nur seinem Besitzer war es möglich gewesen, ihm mit dem Auto und zu Fuß zu folgen. Im letzten Licht erlegte er dann schweren Herzens ein Elchkalb. Wir glaubten ihm gerne, als er uns abends erzählte, dass er keine andere Wahl gehabt hatte. Hätte er nicht geschossen, wäre sein Hund der Elchkuh und dem Kalb wohl noch mehrere Tage lang gefolgt.

Niall als erfahrener Profi konnte diese Entscheidung nur allzu gut nachvollziehen. Es störte ihn nicht im geringsten, nicht selbst zu Schuss gekommen zu sein. Wie wir alle war er vor allem dankbar, wieder einmal völlig neue, jagdliche Erfahrungen gesammelt haben zu dürfen.

Zum Bergen des Elchkalbes ist Muskelkraft gerade noch ausreichend. Bei einem ausgewachsenen Tier sind dagegen Spezialfahrzeuge unverzichtbar.
Mittagspause vor der Jagdhütte. Robins Hund ist noch immer auf der Fährte, in gut 15 Kilometer Entfernung. Genügend Zeit also, um in Ruhe abzuwarten.
Das bekommt man nicht jeden Tag: Auerhahn im Wok gekocht und als „Wrap“ serviert. Für die Schweden völlig normal.

Wir sprachen mit Niall Rowantree über seine Jagderlebnisse am Polarkreis. Niall ist einer der bekanntesten Berufsjäger Schottlands. Neben der Jagd ist Niall Rowantree auch mit der Umsetzung wichtiger Naturschutzprojekte betraut.

Niall, morgen früh geht es wieder nach Hause. Welche Eindrücke nimmst du aus Schwedisch-Lappland mit?

Ich kenne ja die Jagd in menschenleeren Regionen gut. Hier war ich anfangs überrascht, dass vom Herbst noch so gut wie nichts zu sehen war. Da wusste ich schon, dass die Jagd sehr schwierig werden würde. Es war aber wirklich beeindruckend, welche Mühen unsere Guides auf sich genommen haben, dass ich doch zum Jagderfolg komme. Ich glaube, ihr Stolz hätte es einfach nicht zugelassen, mich als „Schneider“ abreisen zu lassen.

Welche neuen Erfahrungen hast du hier gesammelt?

Als Berufsjäger bin ich ja ständig draußen und dachte immer, mir kann eigentlich nichts entgehen. Aber wenn der Hund einen Auerhahn verbellte, der im Grünen hoch oben auf dem Baum saß, bin ich fast an mir verzweifelt. Mein Guide Felix wusste meistens genau, wo der Vogel war, ich aber habe die einfach nicht gesehen. Wer nicht dabei war, wird es fast nicht glauben können. Erst als Felix mir sagte, dass ich vor allem auf den Schnabel achten soll, verstand ich und hatte dann ja auch Erfolg.

War es denn sehr schwierig, den Schuss anzubringen?

Wenn man den Hahn endlich im Zielfernrohr hat, ist es eigentlich kein Problem. Neu für mich war nur, dass ich zum ersten Mal mit einem Drilling gejagt habe, dem Blaser D99. Beim Pirschen spürt man zwar, dass er nicht zu den leichtesten Waffen gehört, aber für einen präzisen Schuss ist das etwas höhere Gewicht von großem Vorteil. Immerhin wird hier nicht aufgelegt, sondern nur angestrichen oder sogar freihändig geschossen, da liegt eine schwerere Waffe einfach viel ruhiger.

Niall Rowantree in seiner Heimat Schottland.

Hattest du keine Chance, mit Schrot zu schießen?

Im Spätherbst oder im Winter, wenn kein Laub mehr auf den Bäumen ist, wären die Chancen wohl nicht schlecht gewesen, auch einen abstreichenden Hahn zu erlegen. Nicht ohne Grund werden hier bei der sogenannten Vogeljagd meistens kombinierte Waffen geführt. Wie man mir sagte, ist deshalb gerade der Blaser Drilling in Nordschweden so populär.

Zur Jagd auf Elch hattest du aber die Blaser R8 dabei…

Das wäre mit dem Drilling natürlich auch gegangen. Aber bei mir zu Hause in den Highlands führe ich die R8 schon seit so vielen Jahren, da wollte ich auch hier nur das Beste haben. Diesmal war es für Elch leider etwas zu früh im Jahr, aber ich bin mir sicher, dass ich wieder einmal hierher kommen werde. So wie Schottland hat eben auch auch Lappland seinen ganz eigenen Reiz.