•   Revier & Praxis

Die neue Generation


Text aufgezeichnet von Gunther Stoschek; Fotos: Gunther Stoschek
Wolfram Osgyan (links), Journalist und Fachbuchautor, im Gespräch mit Dr. Nicolas Benoit, (rechts), Geschäftsführer der Blaser Group Wetzlar
Wolfram Osgyan (links), Journalist und Fachbuchautor, im Gespräch mit Dr. Nicolas Benoit, (rechts), Geschäftsführer der Blaser Group Wetzlar

In der Jagdoptik gegen etablierte Premium-Hersteller anzutreten, ist schon mutig. Was war die Intention von Blaser, in den Jagd­optik-Sektor einzu­steigen?

Unter den Kollegen bei Blaser gibt es viele, sehr erfahrene Jäger, die sich ständig mit professionellen Jägern aus aller Welt austauschen. Da fließt unglaublich viel Praxiswissen ein. Außerdem muss man als Jagdwaffenhersteller die Optik in jede Entwicklung mit einbeziehen, auf fast jede Büchse kommt ja schließlich auch ein Zielfernrohr. Blaser hat deshalb vielleicht sogar mehr Anwendererfahrung als ein reiner Optikhersteller und damit ganz besondere Ansprüche.

Um Optiken selbst herzustellen, braucht es aber mehr als das Verständnis um die Anwendung. Wie war es überhaupt möglich, den Einstieg in die Königsklasse des Optikbaus so schnell zu schaffen?

Für Außenstehende mag es so aussehen, als ob die Optiken plötzlich da waren. Dahinter steckt allerdings jahre­lange Planung, Prototypenbau und Erprobung, bevor die Serienfertigung losgehen konnte. Ganz wesentlich war für uns natürlich der Produktionsstandort Wetzlar. Wo sonst findet man so viel gebündelte Kompetenz der Optikbranche? Das betrifft die benötigten eigenen Fachkräfte ebenso wie ein Netzwerk von Zulieferbetrieben für einzelne Bauteile.

Welche Kriterien waren Blaser bei der Entwicklung besonders wichtig?

Robustheit zum Beispiel. Damit meine ich nicht nur hohe Stabilität des Zielfernrohrgehäuses, sondern vor allem eine sehr robuste Bauweise der Absehen-Einstellmechanik. Bei Blaser Zielfernrohren ist diese komplett aus Metall und funk­tioniert auch bei Dauergebrauch präzise wie ein Schweizer Uhrwerk. Das ist keine Selbstverständlichkeit. Ein weiterer, sehr wichtiger Punkt ist, dass wir das Absehen wieder in der ersten Bildebene positioniert haben wollten.

Damit schwimmt Blaser gegen den Strom. Die re­nommierten Hersteller fertigen heute fast ausschließlich Zielfernrohre mit Absehen in der zweiten Bildebene.

Ja, das ist richtig, zumindest im Jagdbereich. Bei professionellen Longrange-Zielfernrohren hat es den Wechsel auf die zweite Bildebene so nie gegeben, und bei Jagdzielfernrohren war das eigentlich ein Nebeneffekt der drückjagd­tauglichen, hellen Absehenbeleuchtung.  Diese Technik konnte man ursprünglich nicht in der ersten Bildebene verbauen, weil die Strukturen dafür viel zu grob waren. Die zuverlässigere, weil von unvermeidbaren Toleranzen der Zoom-Mechanik unabhängige Bauweise mit Absehen in der ersten Bildebene wurde also eher notgedrungen geopfert. Heute ist die Technik aber weiter. Die für unseren Leuchtpunkt verwendeten Strukturen messen wir in Nanometern. Wir konnten dadurch die mechanischen Vorteile der ersten Bild­ebene mit einem sehr feinen und hellen Leuchtpunkt kombi­nieren und uns den Umweg über die zweite Bildebene sparen. Das ist eben der Vorteil, wenn man bei einem neuen Produkt mit einem weißen Blatt Papier starten kann: Man ist nicht an frühere Kompromisse gebunden und kann seine Entscheidungen rein nach dem aktuellen Stand der Technik treffen.

Was ist die Ursache der möglichen Toleranzen bei Absehen in der zweiten Bildebene?

Absehen in der sogenannten ersten Bildebene befinden sich im Bereich der Absehen-Einstelltürme. Hier werden Zielbild und Absehen vereint und dann gemeinsam ver­größert. Absehen in der zweiten Bildebene sind dagegen im Bereich des Okulars positioniert, also hinter der Mechanik des Zoomsystems. Jeder Wechsel der Vergrößerung kann deshalb zu Abweichungen der Treffpunktlage führen. Vor allem bei häufigem Gebrauch wird das nicht besser. Das liegt einfach daran, dass bewegliche Teile immer Toleranzen haben, die man zwar möglichst klein halten, aber nie ganz loswerden wird. Daher sollte man die Konstruktion so wählen, dass Toleranzen keinen negativen Einfluss haben.

Absehen in erster Bildebene – Das Absehen wird mit dem Zielbild vereint, bevor die beweg­lichen Teile des Zoom­systems ins Spiel kommen. Beim Wechsel der Vergrößerung bleibt daher die Treffpunktlage unverändert
Absehen in erster Bildebene – Das Absehen wird mit dem Zielbild vereint, bevor die beweg­lichen Teile des Zoom­systems ins Spiel kommen. Beim Wechsel der Vergrößerung bleibt daher die Treffpunktlage unverändert
Absehen in zweiter Bildebene
Absehen in zweiter Bildebene

Sind diese möglichen Abweichungen für den Jäger relevant?

Bei größeren Schussentfernungen durchaus. Aber selbst wer auf der Jagd nur bis maximal 150 Meter schießt, möchte doch, dass ein Vergrößerungswechsel nicht den geringsten Einfluss auf die Treffpunktlage hat. Eine Waffe, die Streu­kreise von 25 mm schießt, möchte doch auch niemand gegen eine tauschen, die nur 40 mm bringt.

Andere Hersteller definieren ja ganze Modellreihen über den Zoomfaktor. Bei Blaser gibt es unterschiedliche Zoomfaktoren. Warum bei zwei Modellen siebenfacher, beim Flaggschiff 4-20×58 aber nur fünffacher Zoom?

Ein hoher Zoomfaktor bringt nicht nur Vorteile mit sich. Bei einigen hochzoomigen Zielfernrohren wird im unteren Vergrößerungsbereich die Austrittspupille sehr klein, weil im Inneren die Linsendurchmesser nicht groß genug sind. Das führt dazu, dass man das Auge im Anschlag sehr exakt positionieren muss, um Schattenbildung zu vermeiden. In der Praxis fällt das natürlich nicht immer leicht. Deshalb haben wir bei unseren Konstruktionen sowohl die Zoomfaktoren wie auch den Mittel­rohrdurchmesser so gewählt, dass wir ein sehr komfortables Einblickverhalten erreichen konnten. Prak­tische Vorteile definieren sich eben nicht nur über einzelne Maximalwerte, sondern vor allem über das Vermeiden von Schwächen, die sich in der Jagdpraxis negativ auswirken können.

Gibt es bei den Blaser Zielfernrohren noch andere Besonderheiten hinsichtlich der Bauart?

Wir haben zugunsten einer bestmöglichen Kombination aus Leistung und Kompaktheit auf ein sogenanntes Baukastensystem mit möglichst vielen Gleichteilen verzichtet. Bei uns baut jedes einzelne der drei Zielfernrohre so kurz wie möglich, ohne Einschränkungen bei der Leistung. Dabei gibt es natürlich konstruktive Unterschiede. Beim 1-7×28 braucht man zum Beispiel lange Verschiebewege für die Umkehrlinsen, denn die optischen Anforderungen einer echten 1-fachen Vergrößerung sind sehr hoch, vor allem in Verbindung mit 28mm Objektiv und 7-fachem Zoom. Daher ist das Mittelrohr hier recht lang. Beim 4-20×58 dagegen entstammt die Leistung dem eher langen Objektiv. Das Umkehrsystem dagegen konnte dank 5-fach-Zoom sehr kurz gehalten werden. Diese individuelle Konstruktion der Modelle ist wirklich einzigartig auf dem Markt.

Vertrauen auch bei weiten Schüssen: Die sehr flach bauende „Quick Distance Control“ ist dank ihrer Voll-Metall-Mechanik extrem robust und auch bei Dauergebrauch absolut wiederhol­genau. Die Einstellungen „Fleckschuss“ oder „4 cm Hochschuss“ lassen sich dabei arretieren.
Vertrauen auch bei weiten Schüssen: Die sehr flach bauende „Quick Distance Control“ ist dank ihrer Voll-Metall-Mechanik extrem robust und auch bei Dauergebrauch absolut wiederhol­genau. Die Einstellungen „Fleckschuss“ oder „4 cm Hochschuss“ lassen sich dabei arretieren.

Anders als Ihre Mitbewerber bieten Sie eine Ab­sehen-Schnellverstellung serienmäßig an, obwohl die von vielen Jägern bislang noch wenig genutzt wird …

Das ist nur konsequent, zumal sich unsere „Quick-Distance-Control“ genannte Schnelleinstellung aufgrund ihrer extrem niedrigen Bauweise gar nicht von einem normalen Einstellturm unterscheidet. Die Möglichkeit, die Einstellung in den Positionen „Fleckschuss“ und „4 cm Hochschuss“ zu ver­riegeln, ist dabei ebenfalls einzigartig. Das gilt übrigens auch für den serienmäßigen Parallaxeausgleich. Hier arretiert sich das Einstellrad beim am häufigsten vorkommenden Ent­fernungsbereich von einhundert Metern automatisch, so dass es nicht versehentlich verstellt werden kann.

Was den Preis anbetrifft, langt Blaser kräftig zu. Wie rechtfertigt sich das?

Unser Ziel war, das beste Produkt auf dem Markt anbieten zu können. Da kommt erst mal alles zusammen , was man als Voraussetzung für hervorragende, mechanische Zuverlässigkeit braucht. Bei unserem Anspruch an die Bild­qualität ist natürlich auch die Verwendung von teuren und in der Bearbeitung sehr aufwändigen, fluorid­haltigen Sonder­gläsern Pflicht. Die individuelle Optimierung der Modelle habe ich schon erwähnt, diesen Aufwand leistet sich sonst kein Her­steller von Jagdzielfernrohren.Deshalb können wir nicht billiger als andere sein. Schon gar nicht, wenn Schiene, Absehen­schnellverstellung, Parallaxeausgleich und der automatisch einschaltende Leuchtpunkt iC serienmäßige Ausstattung sind.